Interview auf Ö1 mit DI Dr. Willy Haas von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. Er ist Experte für Kreislaufwirtschaft.
Herr Haas, wie wir gehört haben, hat sich die Menge an Elektroschrott weltweit verdoppelt. Europa hat sogar pro Kopf die größte Menge an Elektroschrott. Lohnt sich Kreislaufwirtschaft nur, wenn sie staatlich gefördert wird, zum Beispiel durch einen Reparaturbonus?
Ja, leider ist das der Fall, weil die Produktion relativ günstig ist – industrielle Fertigung ist viel billiger als die Arbeit, die für Reparaturen notwendig ist. Rohstoffe sind sehr billig, und Produkte sind oft nicht so konstruiert, dass sie leicht repariert werden können. Deshalb ist der Aufwand dafür relativ groß. Es bedarf grundlegender Änderungen, um hier eine Verschiebung herbeizuführen. Zum einen muss Reparatur zum neuen Normalfall werden. Es muss attraktiver sein, etwas zu reparieren, als ein neues Produkt zu kaufen. Es braucht längere Gewährleistungsfristen, damit Produzenten Produkte so konstruieren, dass sie länger halten und leichter repariert werden können. Das ist dringend notwendig, damit Produkte länger in Gebrauch bleiben. Zum anderen benötigen wir eine sozial-ökologische Steuerreform, bei der Arbeit steuerlich entlastet und Ressourcen entsprechend belastet werden. Das wird zu einer deutlichen Verschiebung führen und Reparaturen praktischer, angenehmer und kostengünstiger machen.
Auf EU-Ebene wurde bereits ein Recht auf Reparatur für Verbraucherinnen und Verbraucher eingeführt, reicht das nicht aus?
Ja, das könnte ausreichen. Ich habe jedoch mit einigen größeren Unternehmen gesprochen. Wenn die Gewährleistungsfrist für alle verlängert wird, bedeutet dies, dass Unternehmen nach und nach vorhandene Daten über Schwachstellen in ihren Produkten nutzen können, um diese zu beheben. Und das ist für Unternehmen nicht so schwer umzusetzen, da sie bereits über diese Informationen verfügen. Dies wird das Produktdesign stark verändern und ein deutlicheres Signal an die Produzenten senden als das Recht auf Reparatur, da dieses sie nicht zwingt, ihre Produktdesigns zu ändern. Das ist eigentlich der Knackpunkt.
Wie lange sollte Ihrer Meinung nach die Gewährleistungsdauer sein?
Das hängt natürlich vom Produkt ab. Es ist nicht möglich, eine einheitliche Gewährleistungsfrist für alle Produkte festzulegen. Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen einer Waschmaschine und einem Mobiltelefon. Aber es könnte auf jeden Fall in Richtung einer doppelt so langen Frist wie derzeit gehen. Wir müssen sicherstellen, dass technologische Fortschritte berücksichtigt werden und Produkte nicht länger im Umlauf bleiben, wenn sie während ihrer Nutzungsdauer mehr Energie verbrauchen oder eine höhere Umweltbelastung verursachen.
Wenn man sich anschaut, was in den Produkten enthalten ist, wie Sie gerade erwähnt haben, sollten Hersteller verpflichtet werden, einen Mindestanteil an wiederverwertbaren Materialien zu verwenden. Was schlagen Sie vor?
Genau, es gab interessante Initiativen in Japan, bei denen eine Verpflichtung zur Wiederverwendung von Komponenten bei Haushaltsgeräten eingeführt wurde, nicht nur zum Recycling. Das hat relativ gut funktioniert. Wenn Haushaltsgeräte von vornherein modular geplant sind und nicht mehr funktionieren, können die Hersteller verschiedene Komponenten wiederverwenden, um neue Produkte herzustellen. Das gewährleistet technologischen Fortschritt und stellt ressourcenschonende Produkte bereit. Es können Verpflichtungen eingeführt und Prozentsätze festgelegt werden – das wäre eine kluge und sinnvolle Maßnahme.
Im Beitrag haben wir gehört, dass die Reparaturbranche beklagt, dass die Reparatur selbst in der Ausbildung des Personals kaum noch eine Rolle spielt. Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern?
Es wäre gut, wenn spezialisierte Ausbildungen für verschiedene Bereiche eingeführt würden, die einen Schwerpunkt auf Reparaturen legen. Wir haben derzeit einen Fokus auf Produktion, aber wir brauchen auch einen auf Reparatur, der genauso gefördert werden sollte wie Arbeitsplätze im Produktionsbereich. Außerdem brauchen wir eine Begleitung, zum Beispiel durch eine Datenbank von Unternehmen, die alle für Reparaturen notwendigen Informationen bereitstellen, damit Reparaturen schnell und einfach durchgeführt werden können.
Herr Haas, vielen Dank für das Interview.
Quelle: Ö1 Interview von 08.04.2024
Bildnachweis: BOKU, Wien.